Leben by Karl Ove Knausgård

Leben by Karl Ove Knausgård

Autor:Karl Ove Knausgård
Die sprache: deu
Format: mobi, azw3
ISBN: 9783641102074
Herausgeber: Luchterhand Literaturverlag
veröffentlicht: 2014-06-22T22:00:00+00:00


Es hatte mich vollkommen aus der Bahn geworfen.

Sie ging jetzt nach Hause, auch sie hatte es aus der Bahn geworfen.

Am nächsten Morgen fuhr Yngve mich zum Bus. Auch da erzählte ich nichts. Als ich mich auf einen Fensterplatz setzte und zurückschaute, ging er bereits über die Straße.

Ich schloss die Augen und spürte, wie unglaublich erschöpft ich war. Als der Bus ins Zentrum von Grimstad bog, schlief ich und wachte erst wieder auf, als wir am Tierpark vorbeikamen. Ich stieg an der Kreuzung bei Timenes aus und nahm das letzte Stück bis Boen einen anderen Bus. Aus alter Gewohnheit versuchte ich, einen Blick auf Jan Vidar zu werfen, als der Bus über Solsletta fuhr, aber er war nicht zu sehen, sein Auto stand auch nicht in der Einfahrt.

Ich zündete mir eine Zigarette an und schaute auf den Wasserfall, der letzte Kilometer nach Hause kam mir lang vor, aber schließlich riss ich mich zusammen und setzte mich mit der Tasche auf dem Rücken in Bewegung.

Als ich den letzten Hügel hinaufkam, stand Mutter an der Tonne, in der wir Papier verbrannten. Eine dünne, beinahe durchsichtige Flamme flackerte über dem Rand. Sie entdeckte mich und kam mir entgegen.

»Hej!«, sagte sie lächelnd. »Wie geht es dir?«

»Gut«, erwiderte ich. »Und hier ging’s auch gut?«

Sie nickte.

»Ich hatte eine sehr schöne Zeit«, sagte sie.

»Gut. Ich glaube, ich gehe jetzt erst einmal unter die Dusche und ziehe mir etwas anderes an.«

»Mach das. Ich habe das Abendessen vorbereitet. Muss nur noch aufgewärmt werden. Hast du Hunger?«

»Ein bisschen.«

Abends saß ich am Schreibtisch und las, fand aber keine Ruhe, die Gedanken drehten sich im Kreis, alles verwirrte mich, nichts war mehr wie früher. Hin und wieder sah ich im Fenster, wie der Garten hinter dem kleinen Kartoffelbeet unmerklich in den Wald überging; ich hatte das Gefühl, als stünde der Wald direkt neben uns, als wartete er oder hörte er zu. Ein Gefühl, das man in der Dunkelheit immer bekommt und das von den kleinen Windstößen verstärkt wird, wenn plötzlich die Blätter beben und die Äste schaukeln. Vor einer Woche hatte ich sie noch nie gesehen und wusste kaum, wer sie war.

Und nun waren wir ein Paar.

Und Hanne?

Und das Mädchen aus dem Kiosk, was war das für eine Geschichte?

Als säße ich vor einem Puzzle, bei dem alle Teile aus verschiedenen Spielen stammten. Nichts passte, nichts hing zusammen.

Ich ging hinunter zu Mutter ins Wohnzimmer.

»Bist du sicher, dass es dir gut ging, als ich weg war?«, erkundigte ich mich.

Sie legte das Buch auf den Tisch.

»Ja. Natürlich.«

»Du hast dich nicht einsam gefühlt?«

Sie lächelte.

»Nein. Ich habe doch gearbeitet. Es gab viel zu tun. Und es ist schön, dann hinterher wieder hierherzukommen.«

Mit einem schläfrigen Gesichtsausdruck kam die Katze auf uns zu, offenbar hatten unsere Stimmen sie geweckt. Sie hüpfte auf meinen Schoß und legte ihren Kopf schwer auf meinen Oberschenkel.

»Und wie lief’s bei dir?«, erkundigte sich Mutter.

Ich zuckte die Achseln.

»Es war schön«, sagte ich. »Ich bin gern Straßenverkäufer gewesen. Ich habe in gewisser Weise von der Hand in den Mund gelebt. Am Tag Geld verdient und es abends wieder ausgegeben.



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